Austeritätspolitik in Spanien abgestraft
von Thomas Nord
In Spanien wurden am 20. Dezember die letzten nationalen Wahlen in der EU im Jahr 2015 durchgeführt. Sie wurden bereits seit Januar, nach dem Sieg von Syriza in Griechenland, mit Spannung erwartet. Kommt nach Griechenland und Portugal in einem weiteren Land eine linke Regierung ins Amt, die sich offensiv gegen die Austeritätspolitik wendet? Und aus genau diesem Grunde hat die konservative Partei von Ministerpräsident Mariano Rajoy den Wahltag im katholischen Land Spanien möglichst nahe an das Hochfest des Christentums, an Weihnachten geschoben. Genutzt hat der fromme Wunsch an das Christkind nichts. Die Regierungsbildung in Spanien gleicht derzeit einem Politkrimi.
Der Trend aus den Regionalwahlen im März, Mai und September hat sich in diesen Wahlen fortgesetzt. Podemos und Ciudadanos haben in der kommunalen, der regionalen und der nationalen Ebene das seit dem Ende der Diktatur bestehende Zwei-Parteien System aufgebrochen. Dieser Aufbruch fand seinen Anfang in den sozialen Folgen der geplatzten Immobilienblase, die auf den Crash der Lehmann-Brothers Bank von 2008 folgte. Sehr viele Leute konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen und wurden mit ihren Familien zwangsgeräumt. Die Selbstmordrate stieg auf ein unbekanntes Hoch. Die Verstrickungen von Finanz- und Baumafia auf der einen Seite und etablierten Parteien auf der anderen Seite wurden aufgedeckt. Die umfangreiche sozialpolitische Sparpolitik nach der Bankenrettung hat diesen Trend verstärkt. Auch hierfür wurde die alleinregierende PP abgestraft.
Das spanische Parlament, die Cortes Generales, besteht aus zwei Kammern, dem Congreso de los Disputados (350 Mandate) und dem Senado (266 Mandate). Sie sind am 13. Januar das erste Mal zusammengetreten. Bei einer Wahlbeteiligung von 73,2% entfielen im Congreso auf die konservative PP 28,72% (123 Sitze), das ist ein Minus von 15,91%. Die spanischen Sozialisten (PSOE) bekamen 22,01% (90 Sitze), das ist ein Minus von 6,75%. Podemos kommt auf 20,66% (42 Sitze), ein Plus von 20,15%. Die erstmals auf nationaler Ebene angetretenen Ciudadanos (Ciu) kamen auf 13,93% (40 Sitze). Die Izquerda Unida bekam 3,67%. Ihr wurde vorgeworfen, in die Korruptionsskandale verstrickt zu sein, Podemos hat aus diesem Grund einen gemeinsamen Wahlantritt abgelehnt. Im Ergebnis bleibt die PP von Rajoy stärkste Kraft und hat den Auftrag zur Regierungsbildung. Nur, sie kann seit dem 20. Dezember kein Ergebnis vorweisen.
Das zweite spanische Drama findet derzeit in Katalonien statt, es hat 16% der Gesamtbevölkerung. Am 27. September ist dort die Unabhängigkeitsbewegung stärkste parlamentarische Kraft geworden. Unverzagt hat der damalige Regionalpräsident Artur Mas die Unabhängigkeit Kataloniens bis Mitte 2017 auf die Tagesordnung gesetzt. Allerdings konnte er in der Wahl der neuen Regionalpräsidenten keine Mehrheit auf sich vereinigen. Die Schlüsselrolle kommt der antikapitalistischen Candidatura d’Unitat Popular (Kandidatur der bürgerschaftlichen Einheit) CUP zu, sie hat die Wahl von Artur Mas verweigert. Durch das Festhalten von Mas an seiner Kandidatur war die Situation so zugespitzt, dass bereits Neuwahlen ausgerufen wurden. Erst auf den letzten Drücker hat Mas seine Kandidatur zurückgezogen, da die Prognosen bei einer Neuwahl gegen das Bündnis laufen. Neuer Regierungsvorsitzender ist nun Carles Puigdemont. Die Regierung will den Fahrplan zur Unabhängigkeit umsetzen. Die Abspaltungsbestrebung von Katalonien wird zu einer innenpolitischen Machtprobe. Dies umso mehr, je länger die Starre in Madrid fortbesteht.
In der Hauptstadt Madrid führte dies zu einem Schock, denn Rajoy hat auf Zeit gespielt und auf die katalanischen Neuwahlen gesetzt. Als eine Reaktion hat er eine Koalition aus PP, PSOE und Ciu vorgeschlagen, um Podemos aus der Regierung herauszuhalten. Doch der Vorsitzende der spanischen Sozialdemokraten, Pedro Sanchez, hat seine Ablehnung bekräftigt. Er lehnt aber zugleich eine Koalition mit Podemos aus zwei Gründen ab. Aus seiner Sicht sind sie für den Wahlverlust der PSOE verantwortlich. Für den Fall seiner Regierungsbeteiligung hat Podemos Katalonien die Durchführung des Referendums zugesagt. Sanchez hingegen lehnt das Abspaltungsvorhaben vehement ab. Für eine Mehrheit im Congreso braucht er zusätzlich die Unterstützung aus Katalonien. Um die Blockade auflösen zu können, betreibt seine innerparteiliche Konkurrentin, Susana Diaz, dessen Abwahl. Sie war im März mit der PSOE bei den Regionalwahlen in Andalusien im März stärkste Kraft geworden. Die Alternative zu diesem Vorgang wäre die Festsetzung von Neuwahlen. Doch hier gilt Griechenland als Beispiel dafür, dass man sich hinterher im gleichen Kräfteverhältnis wiederfindet. In Brüssel werden der demokratische Umbruch und die politische Veränderung mit großer Sorge betrachtet. Spanien, so wird befürchtet, könnte durch den innenpolitischen Konflikt endgültig zum Programmland werden.
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