Die Demokratisierung der linken Wähler_innenschaft über die Ergebnisse der „Mitte-Studie“
von Norbert Müller
Die seit 2016 von der Heinrich-Böll-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung finanzierte sogenannte „Mitte-Studie“ hat zum wiederholten Mal besorgniserregende Befunde über die politische Stimmungslage in Deutschland aufgezeigt. Die Forscher_innen der Universität Leipzig zeichnen das Bild einer verstärkten Polarisierung der Gesellschaft. Zwar hat sich der Anteil der insgesamt demokratisch eingestellten Menschen im Vergleich zur Vorläuferstudie deutlich von 40 Prozent im Jahr 2006 auf heute 60 Prozent erhöht. Gleichzeitig ist in weiten Teilen der Bevölkerung eine Zunahme von Gewaltakzeptanz und Gewaltbereitschaft zu verzeichnen. Das mag hinsichtlich fast täglich stattfindender Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte nicht überraschen, ist jedoch immer wieder verstörend. Auch Vorurteile und Hass auf Andersdenkende und Fremde sind nach wie vor weit verbreitet. So empfinden es 40,1 Prozent aller Befragten als „ekelhaft“, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen und 41,4 Prozent plädieren dafür, Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland generell zu untersagen. Immer weniger Menschen weisen ein geschlossen rechtsextremes Weltbild auf, aber gleichzeitig sind antimuslimischer Rassismus und Antiziganismus auf dem Vormarsch.
Neu ist nun, dass sich mit der AfD eine „politische Heimat“ für Menschen mit Vorurteilen und rechtsextremen Einstellungen herausgebildet hat, die bundesweit zweistellige Werte erzielt. So befürworten 77,5 Prozent der AfD-Anhänger_innen beispielsweise die Aussage, dass Sinti und Roma aus Innenstädten verbannt werden sollten - ein trauriger Rekordwert.
Die hohen Zustimmungswerte der AfD und der gleichzeitige Verlust von Wähler_innen der LINKEN bei den vergangenen Kommunal- und Landtagswahlen wurden mehrfach mit einer Abwanderung von Protestwähler_innen von der LINKEN hin zur AfD erklärt. Dieser These muss klar widersprochen werden. So verorten sich einerseits lediglich acht Prozent derjenigen, die bei der vergangenen Bundestagswahl DIE LINKE gewählt haben, mittlerweile bei der AfD. Deutlich größere Wähler_innenzuwanderung verbucht die AfD jedoch von Anhänger_innen der Union und aus dem Lager der Nichtwähler_innen. Zudem steht DIE LINKE bundesweit seit Jahren stabil zwischen 8 und 10 Prozent mit der Tendenz zu 10 Prozent. Seit der Bundestagwahl verzeichnet DIE LINKE bei realen Abwanderungen zur AfD zugleich absolute Stimmenzugewinne von enttäuschten SPD- und Grünenwähler_innen, aber auch von Nichtwähler_innen.
Diesen Austausch der Wähler_innenschaft beschreiben die Autor_innen der „Mitte Studie“ als „Demokratisierung“ der LINKEN. Die Zahl der Anhänger_innen der LINKEN mit ausgeprägten Vorurteilen, chauvinistischen oder ausländerfeindlichen Einstellungen hat sich im Vergleich zur „Mitte-Studie“ 2010 nahezu halbiert. Diese Entwicklung hängt mit dem konsequenten und entschlossenen Einsatz der LINKEN für eine humanistische Migrationspolitik und gegen Neonazismus und Rechtspopulismus zusammen.
Dabei haben wir die Stärke und Stabilität der LINKEN dem Zustrom aus dem demokratischen, sozial-liberalen Milieu zu verdanken. Die „Mitte-Studie“ zeigt, dass der Großteil der Bevölkerung offen für humanistische Argumentationen ist.
Der Intoleranz und dem Hass, wie ihn die AfD versucht heraufzubeschwören, müssen wir als LINKE entschlossen entgegentreten. DIE LINKE muss konsequent in den Zielen, begeisternd und kämpferisch in der Ansprache sein. Wir müssen die aktuellen Verhältnissen kritisieren, über sie hinaus weisen und so der breiten Unzufriedenheit der Menschen eine Stimme geben. Nationale Argumentationsmuster helfen auf diesem Weg nicht weiter.
Für die LINKE heißt das, konsequent an der Überwindung der sozialen Spaltung zu arbeiten und dabei solidarisch und konkret für die Rechte von Abgehängten und Geflüchteten zugleich zu kämpfen. DIE LINKE muss im Bundestag und auf der Straße die echte soziale Alternative zum Einheitsbrei der bürgerlichen Parteien und zum erstarkenden Rechtspopulismus sein.
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