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Von der Enttäuschung zur Entrüstung

von Birgit Wöllert

Das seinerzeit im Koalitionsvertrag als Löwe gestartete sogenannte „Bundesleistungsgesetz“ ist jetzt als Papiertiger namens Bundesteilhabegesetz im Bundestag gelandet. Es wurde noch schnell vor der Sommerpause im Kabinett beschlossen. Von Anfang an protestierten die beteiligten Verbände, Vereine und Organisationen. Sie bezeichneten das Gesetz als unzureichend, verbesserungswürdig und teilweise diskriminierend.

Mit dem Aufruf „Nachbesserung jetzt“ und „Sechs gemeinsamen Kernforderungen zum Bundesteilhabegesetz (BTHG)“ forderten über 130 Verbände deutliche Verbesserungen noch vor Verabschiedung des Gesetzes. Beim Petitionsausschuss ging eine ganze Flut von Petitionen ein, Tausende unterstützen zwei öffentliche Petitionen, die sich gegen das Gesetz richten.

Kritisiert wird die Einschränkung des leistungsberechtigten Personenkreises, des Wunsch- und Wahlrechts und des Rechts auf Selbstbestimmung gemäß der rechtsverbindlichen UN-Behindertenrechtskonvention. Die LINKE Bundestagsfraktion hat in zahlreichen Anträgen und Stellungnahmen einen anderen Umgang mit Menschen mit Behinderung – einen selbstbestimmten und diskriminierungsfreien Alltag - verlangt. 

Auf einer Fachkonferenz unserer Bundestagsfraktion wurde als Ziel formuliert, dass ein Gesetz beschlossen werden muss, das ohne Einschränkungen auch für Deutschland den rechtsverbindlichen Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahre 2008 folgt. Das jetzt vorgelegte Bundesteilhabegesetz tut das nicht.

In zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen in meinem Wahlkreis kam zum Ausdruck, dass erhebliche Nachbesserungen am Gesetz notwendig sind. So wurde bei der „Lebenshilfe“ in Cottbus auf das Problem hingewiesen, dass alternative Wohnformen, die sich bewährt haben, aus Kostengründen gefährdet sind, und es wird befürchtet, dass viele Menschen aus der Eingliederungshilfe herausfallen, die sie jetzt noch bekommen. Die selbstbestimmte Entscheidung über Wohnformen oder Teilnahme am Arbeitsleben wird mit dem Gesetzentwurf eingeengt.

Im Mittelpunkt einer Gesprächsrunde mit Eltern, deren Kinder teilweise von mehrfacher Behinderung betroffen sind, stand die Vielzahl der Anträge bei unterschiedlichen Kostenträgern. Das erfordert viele Behördengänge, um notwendige finanzielle Unterstützung zu erhalten. Eine Vereinfachung ist hier dringend erforderlich. Auch fehlende Barrierefreiheit ist immer wieder ein Thema. Noch viel zu wenige Arztpraxen sind barrierefrei und auch im Öffentlichen Nahverkehr bleibt viel zu tun.

All das kostet Geld. Wenn man aber, wie das neue Gesetz, den Kostenvorbehalt in den Mittelpunkt stellt (die schwarze Null lässt grüßen), wird das nichts. Eine wirkliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bleibt Zukunftsmusik.

Zu oft wurden die Betroffenen hingehalten und enttäuscht. Umso größer ist jetzt die Entrüstung, die sich in bunten und manchmal erschreckenden Protestformen Bahn bricht. Das ist auch gut so und findet die volle Unterstützung meiner Fraktion.