BAföG der Lebenswirklichkeit anpassen!
von Harald Petzold
Es war natürlich auch der Geburtstag, der DIE LINKE dazu bewogen hat, ausgerechnet jetzt einen Antrag dazu einzubringen, die Bundesausbildungsförderung auf die Höhe der Zeit zu bringen und keine weiteren Nullrunden für Studierende zuzulassen. Denn am 1. September 1971 trat das unter dem sozialdemokratischen Kanzler Willy Brandt – wir erinnern uns: der Kanzler, der mehr Demokratie wagen wollte – beschlossene Bundes-Ausbildungsförderungs-Gesetz (BAföG) in Kraft. Seinerzeit noch als sogenannter Vollzuschuss gewährt – dies bedeutete, dass die davon begünstigten Studierenden nichts zurückzahlen mussten – ersetzte es die seit 1957 existierende Studienförderung nach dem sogenannten Honnefer Modell und sollte den Zugang zu höherer Bildung oder einem Hochschulstudium für mehr Jugendliche ermöglichen. Es garantierte einen Anspruch auf Förderung und war damit einklagbar und ein großartiges Instrument für Bildungsgerechtigkeit und sozialem Ausgleich.
Das waren noch Zeiten…
Inzwischen ist das BAföG in die Jahre gekommen. Zahlreiche Novellen musste es über sich ergehen lassen, die nicht selten von mehr oder weniger machtvollen Demonstrationen und Protesten begleitet gewesen sind. Der gravierendste Einschnitt erfolgte zweifellos 1982 kurz nach dem `kalten´ Regierungswechsel von Helmut Schmidts sozialliberaler auf Helmut Kohls schwarz-gelber Koalition. Ab 1983 wurde das BAföG nur noch als Darlehen gewährt – zunächst bis 1990 als Volldarlehen, ab 1991 als einer Mischung aus Zuschuss und Darlehen. Mit dem Ergebnis, dass seitdem die Absolvent_innen eines Hochschulstudiums, die BAföG-Leistungen erhielten, mit einem erheblichen Schuldenberg in ihr Berufsleben starten mussten, sollten sie nach dem Studienabschluss tatsächlich eine Stelle ergattert haben.
Grund genug immer wieder für alle PDS- oder LINKEN Bundestagsfraktionen, -gruppen oder Abgeordneten, das Thema „BAföG – back to the roots“ gemeinsam mit Studierendenvertretungen und Aktivist_innen auf die Tagesordnung der politischen Auseinandersetzungen zu heben. So auch diesmal, im 46. Jahr von BAföG.
Das BAföG endlich der Lebenswirklichkeit anzupassen, bedeutet für DIE LINKE vor allem eine substanzielle BAföG-Erhöhung – der Bedarfssätze und der Freibeträge um zehn Prozent, anstelle der jetzt von der Bundesregierung anvisierten sieben Prozent. Damit sollen mehr junge Menschen erreicht werden, vor allem aber mehr jungen Menschen aus finanziell nicht so leistungsfähigen Familien ein Studium an den Hochschulen und Universitäten unseres Landes ermöglicht werden. Ein BAföG, von dem man tatsächlich studieren und leben kann, wie es die hochschulpolitische Sprecherin der LINKEN Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, nannte. Denn seit 1983 ist erheblicher Raubbau am BAföG betrieben worden und auch die aktuelle Große Koalition lässt trotz sozialdemokratischer Beteiligung das BAföG langsam aber sicher verkümmern.So stieg nach Einführung des BAföG zunächst der Anteil Studierender aus Arbeiter_innen-Haushalten um 25%, seit 1982 ist dies wieder rückläufig. Generell erhalten heute gerade einmal noch 15 Prozent der Studierenden BAföG. Es ist weit davon entfernt, bedarfsdeckend zu sein. Nicole Gohlke rechnete vor, dass es sogar, wenn man alle Leistungen zusammenrechne, deutlich weniger als die aktuellen HartzIV-Bezüge (*1) ergäbe. Das sei schon „ein ziemlicher Hammer“, so Gohlke als Fazit.
Das BAföG der Lebenswirklichkeit anzupassen, bedeutet für DIE LINKE aber auch, den Darlehensteil abzuschaffen und die Ausbildungsförderung wieder als Vollzuschuss zu gewährleisten. Denn nach dem gegenwärtigen Modell ist das BAföG ein Verschuldungsrisiko. Selbst Absolvent_innen mit gut bezahltem Job knabbern jahrelang erheblich an den Rückzahlungen – und das in einer Lebensphase, in der Familien oder Lebensgemeinschaften begründet werden wollen, Kinder kommen…
Das BAföG der Lebenswirklichkeit anzupassen bedeutet für DIE LINKE darüber hinaus, endlich die strukturellen Schwächen der Ausbildungsförderung energisch anzugehen. Dazu gehört, einen Mechanismus der automatischen Anpassung der Fördersätze an die Preis- und Inflationsentwicklungen oder nach ähnlichen Mechanismen einzubauen, wie sie sich die Bundestagsabgeordneten mit den Regelungen zu ihren automatischen Diätenerhöhungen ganz selbstverständlich genehmigen. Und last but not least: dazu gehört schließlich die Anpassung der Wohnkostenpauschale an die tatsächlichen Mietkosten. Derzeit kostet ein WG-Zimmer nach einer Studie der GBI AG im Durchschnitt 349 Euro. Das sind 100 Euro mehr, als die aktuelle und bereits erst jüngst erhöhe Wohnkostenpauschale abdeckt. Kein Wunder, dass fast alle Studierenden neben dem Studium trotz BAföG noch jobben müssen. Das ist keine zukunftsfähige Ausbildungsförderung für DIE LINKE. Deshalb ist es höchste Zeit, dass die Große Koalition endlich eine BAföG-Reform auf den Weg bringt, die den Namen auch verdient: mit einer Erhöhung der Bedarfssätze, der Freibeträge und der Wohnkostenpauschale sowie mit einer Abschaffung der Wartezeiten für junge Geflüchtete beim BAföG.
(*1) ALG2: Miete und Krankenkasse übernimmt das Jobcenter ; der Hartz-4 Regelsatz (für 1 Single) beträgt 2016: mtl. 404 Euro, ab 2017 mtl. 409 Euro. Der Bafög-Grundbedarf beträgt nach der aktuellen Erhöhung 399 Euro (bisher 373 Euro), die Mietkosten sollen pauschal mit 250 Euro abgedeckt sein. Am Ende sind das – je nach Miethöhe – ca. 50-150 Euro weniger als Hartz 4. Dazu kommen aber dann noch studienspezifische Ausgaben wie Semestergebühren, Semesterticket, Bücher, Laptop, etc.;