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NSU-Komplex: Aufarbeitung fortsetzen, Konsequenzen diskutieren

von Norbert Müller

In der vergangenen Woche ist es zu einem vielbeachteten polizeilichen Fund gekommen. In unmittelbarer Nähe der gefundenen Leiche der 2001 verschwundenen Peggy, konnten zweifelsfrei DNA- Spuren von NSU- Mitglied Uwe Böhnhardt festgestellt werden. Die Polizeibehörden von Thüringen und Brandenburg veranlassten daraufhin die erneute Überprüfung aller unaufgeklärten Todesfälle von Kindern der damaligen Zeit in der Region. Bei den Ermittlungen im Fall Peggy war zudem ein an die Mutter gerichteter Brief mit eindeutig rechtsextremen Drohgebärden eingegangen und schlicht ignoriert worden, weil er nicht in die zuvor gefasste Ermittlungshypothese passte.

Diese Entdeckungen haben die mittlerweile geringe mediale Aufmerksamkeit zur Aufarbeitung des NSU  - Komplex neu befeuert.

Dabei ist diese in vollem Gange – sowohl juristisch als auch politisch. Auch unter Rot-Rot in Brandenburg wurde nun ein NSU- Untersuchungsauschuss eingesetzt. Die Messlatte für diesen liegt dank der hervorragenden Arbeit des Thüringer Pendants hoch. Dessen Wirken wurde weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus gelobt und sollte auch Brandenburg als Vorbild dienen. 

Der Ausschuss soll laut Einsetzungsbeschluss u.a. aufklären „ob ein Handeln oder Unterlassen der Brandenburger Sicherheits-  und Justizbehörden einschließlich der V-Personen, der betroffenen staatlichen Stellen im Land Brandenburg die Bildung und die Taten der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ begünstigt und/oder die Aufklärung und Verfolgung der von dieser Terrorgruppe begangenen Straftaten erschwert haben.“

Ohne den Ergebnissen des Ausschusses vorgreifen zu wollen, ist bereits auf Grundlage des jetzigen Kenntnisstands, der vor allem durch zivilgesellschaftliche Initiativen zutage gefördert wurde, leider davon auszugehen, dass auch den Brandenburger Behörden nur ein mangelhaftes Zeugnis ausgestellt werden kann. Der jüngste Vorfall –das unbedachte Schreddern von wichtigen Akten durch die Justizbehörden - bestärken diese Prognose.

Bereits jetzt muss daher eine Auseinandersetzung darüber stattfinden, welche Konsequenzen für die staatlichen Behörden daraus abzuleiten sind.

Die wohl grundlegendste Forderung ist, den Verfassungsschutz abzuschaffen, da er sich durch seine bisherige Arbeit mindestens als ineffektives, falsches Instrument zur Bekämpfung des Rechtsextremismus erwiesen hat. Zu bevorzugen wäre eine finanziell langfristig und ausreichend ausgestattete zivilgesellschaftliche Kontrollstelle. Diese könnte transparent die bitter notwendige Recherche- Arbeit verrichten, ohne dass deren Ergebnisse im Aktenschrank oder –schredder verschwinden.

Sollten sich für eine völlige Abschaffung bzw. Ersetzung des Verfassungsschutzes keine Mehrheiten finden lassen, wäre es das Mindeste, das völlig aus den Rudern laufende V-Leute-System abzuschaffen. Hier finanziert der Staat gestandene Nazis zum Preis halbgarer, nicht-vertrauenswürdiger Informationen und offenbart in diesem Zuge immer wieder selbst Geheimnisse, die die V-Leute dankbar in ihre eigentlichen Zusammenhänge weiterleiten. Auch das System der polizeilichen Gewährspersonen gehört in diesem Zusammenhang auf den Prüfstand.

Eine gründliche Aufarbeitung im Sinne der Betroffenen und zur Verhinderung vergleichbarer Terrorakte hat oberste Priorität. Die Ergebnisse müssen sich jedoch auch in darauf folgenden politischen Konsequenzen widerspiegeln. Erst daran wird sich über Erfolg oder Versagen der langjährigen Aufarbeitung urteilen lassen.