Konsequent gegen sexuellen Missbrauch von Kindern
von Norbert Müller
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden in Europa rund 18 Millionen Kinder jedes Jahr Opfer von sexualisierter Gewalt. Um das Problembewusstsein zu verbessern und um Politik und Verwaltung, sowie alle weiteren Stellen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, zum Handeln aufzurufen gibt es den Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch. Dieser wurde am vergangenen Freitag, den 18. November, nun zum zweiten Mal begangen.
Dass weiteres Handeln dringend notwendig ist, zeigen auch die erschreckenden Zahlen in der Bundesrepublik: rund 14.000 Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder in Deutschland registrierte allein die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Vorjahr. Das heißt, dass im Schnitt jeden Tag 38 Kinder Opfer von sexualisierter Gewalt werden. Die Dunkelziffer liegt Expert_innen zufolge weitaus höher.
Im Fokus muss weiterhin die Verbesserung der Prävention vor sexuellem Missbrauch stehen. Bund, Länder und Kommunen müssen die finanziellen Mittel bereitstellen, damit Schutzkonzepte und weitere Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt auch wirkungsvoll umgesetzt werden können. Auch die Beratung von Einrichtungen, in denen sich Kinder aufhalten, also Kitas, Schulen und Vereine, muss weiter intensiviert werden. Durch die erschütternden Missbrauchsskandale der letzten Jahre und die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs sind zwar bereits wichtige Schritte auf den Weg gebracht worden, diese reichen aber nicht aus.
Bereits mehrfach wies die Linksfraktion im Bundestag darauf hin, dass es nach wie vor insbesondere in Flüchtlingsunterkünften an geeigneten Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt fehlt. Anfang des Jahres verabschiedete die Kinderkommission des Deutschen Bundestages auf meine Initiative hin eine entsprechende Stellungnahme. Darin stellte die Kinderkommission fest, dass die geltenden Regelungen des Asylgesetzes für Minderjährige hinter den Schutzvorgaben der EU-Aufnahmerichtlinie zurückbleiben, wodurch kein ausreichender Schutz vor geschlechts- und altersspezifischer Gewalt einschließlich sexualisierter Übergriffe und Belästigung besteht. Die Kinderkommission forderte in ihren Empfehlungen zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Kindern in Flüchtlingseinrichtungen, so etwa die Einrichtung von Schutzräumen, sowie geeignete Maßnahmen zur Kontrolle der Träger und des Personals.
Zuletzt muss auch weiter an der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale der letzten Jahre gearbeitet werden. Die von der Großen Koalition 2015 beschlossene Aufklärungskommission ist unzureichend. Sie verfügt nicht über die geeignete finanzielle Ausstattung, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und ist nur befristet eingesetzt. Wir brauchen endlich eine nationale Aufarbeitungskommission, die unabhängig und handlungsfähig ist und unbefristet arbeitet. Das sind wir den Betroffenen schuldig.