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Pressefreiheit: keine Selbstverständlichkeit

von Harald Petzold

Demokratie ist kein Zustand, sie ist ein Prozess. Sie muss immer wieder neu gestaltet, gelebt und sehr oft immer wieder neu verteidigt werden. Als medienpolitischer Sprecher der Linksfraktion ist das aktive Eintreten für Pressefreiheit eines meiner Hauptanliegen. 

Eine Demokratie kann ohne Pressefreiheit nicht existieren. Die Debatten um Pressefreiheit nehmen in dem Maße zu, wie offizielle Demokratien autoritäre Züge annehmen: Ungarn, Polen, Russland, USA, Türkei sind aktuelle Beispiele, die zunehmend in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. 

Für uns in Deutschland ist seit Monaten der Konflikt mit der Türkei sehr zentral: wir erleben die dortige Erosion von Demokratie und Pressefreiheit. Die Bundesregierung bleibt zaghaft aufgrund vermeintlicher Abhängigkeiten und das, obwohl die Erosion über nationale Grenzen hinweg schwappt. Schon mit der Anzeige gegen Böhmermann 2016 waren die rigiden Haltungen und Veränderungen im Zuge der erdoganschen Umwälzungen hierzulande deutlich spürbar. Mit der Inhaftierung des WELT-Journalisten Yücel und vieler Weiterer ist ein neues Ausmaß erreicht. Politik braucht Zeit, um zu reagieren, das ist bekannt. Doch wenn auf so radikale Art und Weise grundlegende Werte angegriffen und Menschenleben so massiv Gewalt und Willkür ausgesetzt sind, gilt es unverzüglich alles Mögliche und Nötige zu tun, um dem Einhalt zu gebieten und um zu retten, was zu retten ist. Unsere humanitäre Verantwortung an die Türkei abzugeben, im Sinne des menschenfeindlichen  „Flüchtlingsdeals“, war ein Fehler. Aber längst sind noch nicht alle Handlungsspielräume ausgeschöpft.  Die Bundeswehr muss schnellstmöglich abgezogen, die Rüstungsexporte in die Türkei und in andere Krisengebiete gestoppt und propagandistische Auftritte türkischer Politiker im Inland unterbunden werden. Außerdem ist es unabdingbar, den Dialog mit der türkischen Community in Deutschland  zu führen. Denn in dieser verlaufen zum Teil die gleichen Konfliktlinien, wie sie aktuell in der Türkei zu finden sind und dort tiefe Gräben in der Gesellschaft hinterlassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass das antidemokratische Gebaren Erdogans die deutsch-türkische Freundschaft zerstört.

Politik ist nicht allein zuständig für die Verteidigung der Pressefreiheit, doch sie ist verantwortlich für den Schutz derselben.  Auch wir erleben in Deutschland eine steigende Zahl von Übergriffen auf und Ausschlüssen von Journalist*innen, insbesondere aus dem nationalkonservativen und rechtspopulistischen Milieu. Zudem werden die Überbringer*innen unliebsamer Wahrheiten oft mit Repressalien bedroht. So im Falle von netzpolitik.org. Doch Whistleblower*innen und investigative Recherchen beleben die Politik und Demokratie und dürfen nicht bekämpft, sondern müssen geschützt werden, wie der journalistische Alltag generell. Wer Journalist*innen angreift oder an der Arbeit hindert handelt antidemokratisch und schadet letztlich sich selbst. Nur eine vielfältige, streitbare und diverse mediale Landschaft ermöglicht mündige Entwicklungen und Entscheidungen der Einzelnen. Und wer will schon freiwillig sein demokratisches Recht auf freie Persönlichkeitsentwicklung und Meinungsbildung abtreten?