Arbeit (und Leben?) 4.0
von Harald Petzold
LINKE Bundestagsfraktion diskutiertüber Zukunft der Arbeit (und des Lebens) in einer zunehmend digitalisiertean Welt
Am 20. März eröffnete die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem japanischen Premierminister Shinzo Abe die Computermesse CeBIT 2017 in Hannover. Beide sprachen viel von einer Zukunft, die ihrer Meinung nach vor allem in einer Verteidigung des Freihandels in der Welt läge. Ziel dieser Zukunft seien freie und offene Märkte, so Merkel. Sie verwies darauf – so meldete es der öffentlich-rechtliche Rundfunk –, dass Japan und die EU derzeit ein Freihandelsabkommen aushandelten. In Zeiten, in denen viel über den Freihandel gestritten werde, sei es ein gutes Zeichen, dass Japan und Deutschland nicht stritten, wird die Kanzlerin zitiert. Die Inhalte des neuen, geräuschlosen Wunderwerks, JEFTA genannt, ließ sie unerwähnt. Ebenso, dass dieses neue Freihandelsabkommen ähnlich wie TTIP und CETA geheim verhandelt wurde und wird. Sein Entwurf steht kurz vor dem Abschluss und ist inzwischen geleakt, das heißt über das Internet öffentlich gemacht und verbreitet worden. Wer hinein schaut, merkt schnell: Wie bei TTIP und CETA sind weitreichende Sonderklagerechte für ausländische Investor*innen, mächtige und intransparente Regulierungsräte sowie weitgehende Liberalisierungen im Dienstleistungssektor geplant. Wegen der Größe der japanischen Volkswirtschaft wären nach Abschluss des Abkommens unabsehbare Klagewellen gegen europäische Standards zu erwarten. Für DIE LINKE droht mit JEFTA sogar noch eine viel größere Gefahr für Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzstandards, als mit den Blaupausen TTIP und CETA.
Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, mit eigenen Konzepten vor allem zur künftigen Gestaltung der Arbeits- und Lebenswelt der Zukunft aufzuwarten, die Rechte der Menschen sicher zu gestalten, die in dieser zukünftigen Welt arbeiten und leben wollen, ihnen die damit verbundenen Entwicklungschancen offen zu halten und sie gleichzeitig zu schützen vor den Gefährdungen, die ihr durch die rasant voran schreitende Digitalisierung auch drohen. Für die Mehrheit der Fraktion, die sich in einem Diskussionspapier der AG Digitalisierung der Fraktion wiederfindet, geht es dabei um grundsätzliche Fragen der zukünftigen Gestaltung von gesellschaftlichen Verhältnissen, von Arbeit und Leben, von Ökonomie und dem Mensch-Natur-Verhältnis. „Bedeutet die viel beschworene Digitalisierung wirklich etwas historisch Neues oder geht es nur um alten Wein in neuen Schläuchen? Betrifft sie primär die Wirtschaft, Stichwort „Produktion 4.0“, oder doch nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche? Drohen mit der Digitalisierung vor allem Risiken, die abzuwehren sind, oder auch antikapitalistische Chancen, die DIE LINKE Linke befördern sollte?“ – so lauten einige der Leitfragen aus dem Positionspapier, das weiter in der Fraktion beraten wird. Bei deren Beantwortung muss DIE LINKE einen umfassenden Ansatz mit einem weiten Arbeitsbegriff finden, um zu verhindern, dass die Diskussion nur auf abhängige Erwerbsarbeit verengt wird.
Die Digitalisierung macht derzeit Probleme sichtbar, die in den Bereichen der Dienstleistungs- und Kreativbranchen, der Sorge- und Familienarbeit, mit Blick auf Geschlechtergerechtigkeit und auf Umweltschutz und sozial-ökologischen Umbau schon länger existieren, bisher aber nie in den Blickpunkt genommen wurden. Das Ignorieren dieser Umwälzungen und eine Politik, die sich allein in Risikoabwehr erschöpft, ohne die Chancen zu sehen, ist für DIE LINKE nicht zielführend. Deshalb müssen LINKE arbeitspolitische Antworten vielfältiger werden, teilweise auch anders, was nicht meint, bisherige Positionen sofort aufzugeben. DIE LINKE muss mit ihren Lösungsvorschlägen für die Interessen, Sorgen und Nöte des Montage-Arbeiters genauso einstehen, wie für die der online vermittelten Putzfrau bei helping.de oder dem Fahrradkurier von Deliveroo. Arbeit (und Leben) ist heute zu vielfältig und die Spaltung der Gesellschaft zu groß geworden. Mitverantwortlich dafür ist u.a. der Fetisch der auf einen Freihandel á la TTIP, CETA und JEFTA setzt. Aber darüber schweigt die Kanzlerin bekanntlich. Umso mehr ist es Aufgabe der LINKEN, diese Zusammenhänge auf die Agenda der politischen Auseinandersetzung zu setzen.