Kinderarmut stoppen: Anhörung zum Antrag der Linksfraktion
von Norbert Müller
Es sei schön, dass das Thema Kinderarmut zum Ende der Wahlperiode endlich einmal im Deutschen Bundestag aufgegriffen werde, so ein Sachverständiger in der Anhörung des Familienausschusses zum Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Kinder und Familien von Armut befreien - Aktionsplan gegen Kinderarmut“. Tatsächlich scheuen die Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD seit Beginn der Legislatur die Auseinandersetzung mit dem Thema wie der Teufel das Weihwasser. Im Koalitionsvertrag findet sich schlicht keine Aussage dazu. Ganz so, als ob es Kinderarmut in der Bundesrepublik der 2010er Jahre nicht mehr gäbe.
Dass dem mitnichten so ist, zeigen die seit langem bekannten Zahlen. Auch in der Anhörung wurde erneut deutlich, dass in Deutschland mindestens 2,5 Millionen Kinder in Armut leben oder akut von Armut gefährdet sind. Auch die Folgen für die Kinder sind empörend: sie sind häufig schlechter ernährt, schlechter gesundheitlich versorgt, haben schlechtere Bildungschancen, und sie werden nicht so alt wie ihre Altersgenoss_innen, die in reichen Elternhäusern geboren worden sind. Die derzeitige Ausrichtung der Sozialsysteme wirkt dabei keineswegs so, dass Kindern und ihren Familien ein Ausweg aus der Armut geboten wird. Wie Holger Hofmann vom Deutsches Kinderhilfswerk e. V. in der Anhörung feststellte, sind gerade Familien mit Kindern, die Sozialleistungen beziehen, überproportional von Sanktionen durch die Jobcenter betroffen. Hinzu kommt die große Intransparenz des Systems, wie Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung berichtete. So würden viele Eltern Leistungen, die ihnen und ihren Kindern zustünden, gar nicht erst beantragen, da sie entweder von ihren Ansprüchen gar nicht wüssten oder aber die Antragsstellung sehr bürokratisch sei.
Um diesen Problemen Abhilfe zu schaffen, fordert die Linksfraktion in ihrem Antrag, unter anderem die Abschaffung von Sanktionen im Sozialleistungsbezug. Außerdem will DIE LINKE zukünftig alle Leistungen für Kinder aus einer Hand in neu zu schaffenden Familienstellen gewährleisten. Ziel ist es den Antrags- und Behördenmarathon, an dem viele scheitern, zu beenden und stattdessen Leistungsberechtigte ausführlich und transparent über ihre Rechte und Ansprüche zu beraten. Um Kinderarmut aber wirksam zu bekämpfen, braucht es mehr. So fordert DIE LINKE ebenfalls eine deutliche Anhebung des Kindergeldes auf 328 Euro und eine grundlegende Neuberechnung der Kinderregelsätze im Hartz-IV-Bezug. Damit Bildung und Lebenschancen nicht mehr vom Gelbbeutel der Eltern abhängen und eine gleichberechtigte Förderung aller Kinder von Anfang an gewährleistet werden kann, braucht es außerdem einen deutlichen Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe, sowie die konsequente Durchsetzung des Rechts auf kostenfreie Bildung.
Auch die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordert nun ähnliche Schritte. Während meiner Vorsitzzeit im vergangenen Jahr, beschäftigte sich das Gremium im Austausch mit Expert_innen intensiv mit den Ursachen, Folgen und möglichen Auswegen aus der Kinderarmut. Nun konnten wir auf dieser Grundlage einstimmig, das heißt auch mit den Stimmen der Vertreter_innen der Regierungsfraktionen, eine Stellungnahme beschließen, die unter anderem eine bessere finanzielle Ausstattung von Familien, die Streichung von Sanktionen im SGB II und den Ausbau der sozialen Infrastruktur fordert.
Das sind alles wichtige, dennoch nur kleine Schritte im Kampf gegen dieses beschämende Problem. Denn nur mit einer entschlossenen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums könnten auch die Ursachen statt lediglich der katastrophalen Auswirkungen der herrschenden gesellschaftlichen Ungerechtigkeit bekämpft werden.