Von geschönten Zahlen und fehlenden Konsequenzen: der 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung
von Norbert Müller
Ein starker Anstieg von Armut und Reichtum in den vergangenen Jahren könne „anhand messbarer statistischer Daten […] so nicht bestätigt werden.“ So steht es im 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der seit einiger Zeit für Wirbel sorgt. Dass trotzdem ein Großteil der Bevölkerung der Auffassung sei, dass die Schere zwischen Arm und Reich in letzten Jahren weiter auseinandergegangen ist, zeige lediglich, „dass Wahrnehmung und messbare Realität mitunter auseinandergehen.“
Nun ist die Zunahme sozialer Ungerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, jedoch nicht nur ein unbegründetes Bauchgefühl, wie uns die Bundesregierung weiß machen will. Wie aktuelle Zahlen zeigen, muss tatsächlich von wachsender Armut gesprochen werden. So zeigen Auswertungen von Eurostat-Daten durch die LINKEN-Bundestagsabgeordnete Zimmermann, dass insgesamt 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren in einem Haushalt leben, dessen Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Im Jahr 2006 hatte die Zahl der armutsgefährdeten Kinder mit 1,5 Millionen noch deutlich niedriger gelegen.
Auch der Soziologe Thomas Sablowski konstatiert in seinem Artikel „Die Armut des Armuts- und Reichtumsberichts“ für die Zeitschrift Luxemburg, trotz anderslautender Behauptungen der Bundesregierung eine Zunahme der Armut in Deutschland. So schreibt Sablowski: „Die „Armutsrisikoquote“, d.h. der Anteil der Personen mit einem Nettoäquivalenzeinkommen unter 60% des Medianeinkommens, ist nach der Statistik der EU über die Einkommen und Lebensbedingungen von 15,5% im Jahr 2008 auf 16,7% im Jahr 2013 gestiegen (erster Entwurf, S. 540; zweiter Entwurf, S. 546). Dabei sind die staatlichen Sozialleistungen bereits in das Nettoäquivalenzeinkommen eingerechnet. Ohne staatliche Sozialleistungen hätte der Anteil der „Armutsgefährdeten“ über 25% gelegen (zweiter Entwurf, S. 552).“ Auch die Zahl der Wohnungslosen sei in den letzten Jahren erheblich gestiegen.
Dass die Bundesregierung allerdings mit für die unangenehmen Fakten nicht allzu genau nimmt, zeigt auch eine Posse, die sich im Vorfeld der Veröffentlichung des Berichts abspielte. So sollte im aktuellen Reichtumsbericht zum ersten Mal der Frage nachgegangen werden, wie sich der Einfluss von Eliten und Vermögenden auf politische Entscheidungen im Vergleich zum weniger vermögenden Teil der Bevölkerung verhält. Allerdings gefielen der Bundesregierung wohl die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht. Denn während es in einer ersten Entwurfsfassung noch hieß: „Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert.“, ist davon im letztlich vom Kabinett beschlossenen 5. Armuts- und Reichtumsbericht nichts mehr zu finden.
Ein weiteres Manko aller Armuts- und Reichtumsberichte bisher sind die mangelnden Konsequenzen, die aus ihnen gezogen werden. Eigentlich sollen die Berichte immer zur Mitte der Legislatur vorgelegt werden. Allerdings ist es auch dieses Mal wieder so, dass der Armuts- und Reichtumsbericht kurz vor dem Ende der Wahlperiode im Bundestag behandelt. So gehen die Ergebnisse und die Diskussionen um zu ziehende Konsequenzen im Wahlkampf unter. Auch wenn die Regierungsfraktionen bemüht sind, das Thema der sozialen Ungerechtigkeit gar nicht erst anzusprechen, wird DIE LINKE weiter den Finger in die Wunde legen und konkrete Vorschläge zur Beseitigung der Armut machen.