Kinder-, und Jugendhilfe - Ein bemerkenswerter Vorgang
von Norbert Müller
Bereits zuvor berichtete ich an dieser Stelle von den Reformbemühungen des Familienministeriums am SGB VIII – dem Kerngesetzbuch der Kinder- und Jugendhilfe. Hier sollen die Prämissen der Kinder- und Jugendarbeit grundlegend verändert werden. In dieser Sitzungswoche kam es diesbezüglich im Familienausschuss nun zu einer Anhörung, die ihresgleichen sucht. Sage und schreibe acht von elf geladenen Sachverständigen zeigten sich besorgt bis bestürzt angesichts der drohenden Änderungen. Und das, obwohl gemäß des Stimmenanteils lediglich zwei von ihnen aus den Reihen der Opposition geladen waren.
Rückblick: In einem völlig intransparenten Verfahren versucht sich das Familienministerium seit mehr als zwei Jahren an einer Reform des SGB VIII. Diese Intransparenz wurde bereits durch die Fachwelt durchgehend bemängelt, und hat auch im Parlament bis tief in die Koalition hinein für jede Menge Unmut gesorgt. Fachlich liest sich der Gesetzentwurf zwar nicht mehr ganz so katastrophal wie die zuvor kursierenden Versionen, genug zu bemängeln gibt es jedoch allemal. So will das Ministerium an Länderöffnungsklauseln festhalten, die eine Zwei-Klassen-Jugendhilfe für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete bedeuten würden. An anderer Stelle würden die vorgesehenen Meldeauflagen ans Jugendamt jede Form selbstorganisierter Kinder- und Jugendarbeit im Keim ersticken. Bei Fällen in denen Jugendamt Kinder im Sinne des Kindeswohls (vorübergehend) aus der Familie holt, wäre nun bereits zu Beginn der Hilfemaßnahmen festzulegen, ob das Kind eine Rückkehrperspektive hat oder nicht. Der Grundsatz der Prozesshaftigkeit der Jugendhilfe wäre damit ad absurdum geführt.
Dieser Scherbenhaufen fällt Interims-Ministerin Katerina Barley nun vor die Füße. Um ihn zu beseitigen bleibt nur noch eines: Das Gesetzespaket zurückzuziehen.
Das hat mittlerweile auch die Unionsfraktion erkannt. So kündigte die stellvertrende Fraktionsvorsitzende Nadine Schön bereits unmittelbar nach der Anhörung ihre Gefolgschaft für das Vorhaben. Auch in den Reihen der SPD- Fachpolitik ist das Raunen über den Alleingang des Ministeriums unüberhörbar.
Dennoch ist es für eine Entwarnung noch zu früh. Noch immer steht das Gesetz auf der Tagesordnung der kommenden Sitzungswoche. Und zu oft mussten wir bereits erleben, dass der politische Kuhhandel in den Fraktionsspitzen die Fachlichkeit aussticht. Wir werden dementsprechend wachsam bleiben und weiterhin alles daran setzen, den katastrophalen Gesetzesentwurf zu verhindern!