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Frankreich im Herbst - Visagisten, Honorare und Dekrete

von Thomas Nord

Emmanuel Macron ist ein schnell gefallener Star. Er sitzt zwar unbestritten im Präsidentenamt, sein Ansehen ist jedoch noch schneller gefallen als das von Francois Hollande. Sein auf einem Staatsbesuch in Rumänien erhobener Vorwurf an die Franzosen, dass sie reformunfähig sein, hat ihn nicht beliebter gemacht. Auch die Nachricht, dass er seit der Amtseinführung am 14. Mai alleine 26.000 € für die Arbeit einer Visagistin ausgegeben hat, um bei TV- und öffentlichen Auftritten hübscher auszusehen, kam zur Unzeit. Aber die Sorge um das kosmetische Aussehen wird im Herbst der Sorge um das politische Ansehen weichen. Denn der freie Fall des Ansehens von Macron hat sogar schon den nicht wieder angetretenen Ex-Präsident der Parti Socialiste, Francois Hollande, ermutigt, den neuen Präsidenten für seine neoliberalen Auswüchse zu kritisieren. Sein Vorwurf: Die Mehrung des Wohls der Unternehmen werde auf Kosten der Arbeitnehmer*innen erzielt. Dies vertiefe die Spaltung der französischen Gesellschaft.

Macron geht eines seiner zentralen Wahlversprechen, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, schnell an. Er setzt dabei auf eine Art Überrumpelungsstrategie, die es den oppositionellen parlamentarischen, aber auch den zivilgesellschaftlichen außerparlamentarischen und gewerkschaftlichen Kräften kaum Zeit lässt, ihren Protest in Formen des Widerstands auf der Straße zu organisieren. Nach aktuellen Umfragen lehnen mehr als die Hälfte der Französinnen und Franzosen die Arbeitsmarktreform ab und bezweifeln, dass sie den Arbeitnehmer*innen Vorteile bringen wird. Unternehmen sollen mit der Reform mehr »Flexibilität« im Arbeitsrecht bekommen. Individuelle Betriebsvereinbarungen sollen im Vergleich zu Branchenvereinbarungen mehr Gewicht bekommen. Kündigungen sollen erleichtert werden. Entschädigungen nach einer unrechtmäßigen Entlassung sollen gedeckelt, Arbeitnehmervertretungen fusioniert werden. Liberalisierung und Reform auf Kosten der französischen Arbeitnehmer*innen.

Das französische Parlament hat im Sommermonat August gleich zu Anfang beschlossen, die Arbeitsmarktreform des Präsidenten zur Behandlung zuzulassen. Einen Tag später stimmte der Senat als zweite Parlamentskammer für ein entsprechendes Gesetz. Sie wurden am Donnerstag, den 31. August in definitiver Form als Dekrete präsentiert und stehen am 20. September im Ministerrat zur Verabschiedung auf der Tagesordnung. Dies ist ein Punkt, an dem sich Kritik entzündet, denn die Regierung will die Verordnungen trotz der großen parlamentarischen Mehrheit ohne parlamentarische Diskussion per Dekret erlassen, um die Opposition in ihren zeitlichen Möglichkeiten zu beschränken. An der Nutzung dieses Instruments war schon in der Präsidentschaftszeit von Hollande ein starker Dissens entstanden. Sie sind ursprünglich als Ausnahmeinstrument konzipiert worden und haben den Beigeschmack von undemokratischem Regierungshandeln, weil es das Parlament in seinen Rechten beschneidet.

 

Allerdings mussten viele französische Regierungen Gesetze nach ihrer In-Kraft-Setzung nach Protesten auch wieder zurückziehen. Anfang September enden in Frankreich die Sommerferien und es wird sich zeigen, wie stark der Protest auf der Straße sein wird. Die Gegner*innen und Gegner der neoliberalen Reformvorhaben haben schon mal probeweise in die Trillerpfeife geblasen. Die ehemals kommunistisch ausgerichtete Confédération Générale du Travail (CGT), zweitgrößte Gewerkschaft in Frankreich, ruft für den 12. September zu landesweiten Streiks und Protesten auf. Die Studierenden wittern Morgenluft für ihren Ärger über die Studienbedingungen und wollen sich in die Proteste einbringen. Mélenchon, der bei der Präsidentschaftswahl 19,6 % der abgegebenen Stimmen bekam, wettert mit der Bewegung »Unbeugsames Frankreich« gegen den »Sozialstaatsstreich« und ruft für den 23. September zu Protesten auf. 

Im parlamentarischen Raum steht Emmanuel Macron der erste Wahltest bevor. Zeitgleich zur Bundestagswahl am 24. September wird der Senat neu gewählt. Der Senat ist das Oberhaus, das dem Unterhaus als Kontrollinstanz gegenübersteht, der Nationalversammlung mit seinem konservativen Ministerpräsidenten. Er hat 348 Mitglieder, die alle drei Jahre zur Hälfte neu gewählt werden. Die gesamte Wahldauer beträgt sechs Jahre. Sie werden in indirekter Wahl von einer Wahlversammlung mit rund 150.000 Mitgliedern auf Départementsebene gewählt. Hier wird sich zeigen, ob der neue Präsident mit seiner Partei »La Republique En Marche« seine Wahlerfolge und Mehrheiten auch im Senat weiter ausbauen kann.


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