Ein neues Agrarleitbild für Brandenburg!

Beschluss der 1. Tagung des 6. Landesparteitags am 17. und 18. März 2018 in Potsdam

Das aktuelle europäische Agrarmodell und die Gemeinsame EU-Agrarpolitik stehen unter starkem gesellschaftlichen und politischen Druck. Aus Sicht der LINKEN ist die strategische Ausrichtung auf einen globalen Weltagrarmarkt ein Systemfehler, weil er aktuell allein auf die Minimierung der Produktionskosten ausgerichtet ist – koste es, was es wolle. Dieser Dumpingwettbewerb ist eine gefährliche Sackgasse zu Lasten von Mensch und Natur. Denn er führt zu Erzeugerpreisen, die die Kosten einer gesellschaftlich akzeptierten Landwirtschaft nicht mehr decken. Damit droht die regionale Landwirtschaft eine wichtige Existenzgrundlage und Legitimation zu verlieren.

Das gilt es zu verhindern, denn Land- und Stadtbevölkerung befürworten in breiten Teilen eine nachhaltige und regional verankerte Landwirtschaft, die das Land Brandenburg und Berlin mit Obst, Gemüse und allen Produkten der Landwirtschaft versorgen können. Die Nähe von Erzeugung, Herstellung und Vermarktung von regionalen Produkten fördert das Zusammenleben von Land- und Stadtbevölkerung und dient dem gesellschaftlichen Miteinander.

Demgegenüber steht die weiter wachsende Marktübermacht von Konzernen bei Düngemitteln, Saatgut, Verarbeitung und Handel mit der Folge, dass selbst höhere Lebensmittelpreise keine höheren Erzeugerpreise sichern, oft genug im Gegenteil. Selbst die Produktionsgrundlage Boden ist durch explodierende Bodenkauf- und -pachtpreise gefährdet, weil diese durch landwirtschaftliche Arbeit kaum mehr zu finanzieren sind.

Unterdessen stößt selbst das Prinzip „Wachse oder Weiche“ an klar erkennbare Grenzen. Es geht längst nicht mehr um „klein gegen groß“, sondern um den Überlebenskampf einer vor Ort verankerten gegen eine durch Investoren gesteuerten Landwirtschaft.

Deshalb sieht DIE LINKE nicht nur immer wieder auftretende, zyklische Krisen in der Landwirtschaft, sondern Fehler im System, die dringend behoben werden müssen. Damit die, die Lebensmittel produzieren, von dieser Arbeit leben können und Ernährungssouveränität vor Ort gesichert statt von internationalen Konzernen bestimmt wird.

Deshalb wollen wir mit allen direkt und indirekt Betroffenen ein neues Agrarleitbild diskutieren, das die Landwirtschaft strategisch wieder am Gemeinwohl orientiert. Das heißt auf die Sicherung ihrer Versorgungsfunktion vor allem mit nachhaltig produzierten und regional verarbeiteten Lebensmitteln, aber auch mit Erneuerbaren Energien sowie auf den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Agrarpolitik muss sichern, dass Landwirtschaft und ländliche Räume wieder enger verzahnt, miteinander gedacht und Verbraucherinnen und Verbraucher als Verbündete verstanden werden. Rechtssetzung und Förderpolitik, aber auch die Agrarwissenschaften müssen auf dieses gesellschaftspolitische Agrar-Leitbild ausgerichtet werden.

Dabei gilt es selbstverständlich, regional verwurzelte Strukturen, Erfahrungen und Kompetenzen, aber auch neue Ideen zu nutzen und dieses Agrar-Leitbild durch einen breiten gesellschaftlichen Dialog unter Einbeziehung aller Akteurinnen und Akteure zu entwickeln und fortzuschreiben. So ist aus Sicht der LINKEN ein Brandenburger Agrar-Leitbild z. B. ohne Bekenntnis zu Agrargenossenschaften und bäuerlichen Familienbetrieben nicht denkbar, aber auch neue Formen wie die Solidarische Landwirtschaft müssen dazu gehören. Doch schon jetzt ist es aus Sicht der LINKEN Brandenburg dringend notwendig, Weichen zu stellen, um die vor Ort verwurzelten Landwirtschaftsbetriebe zu stärken, die wir dringend als Verbündete für eine nachhaltige Landwirtschaft brauchen. Dazu gehören insbesondere die folgenden drei politischen Schwerpunkte.

Sicherung des Bodens für ortsansässige Landwirtschaft

Immer mehr landwirtschaftsfremde Investorinnen und Investoren sehen im Boden ein lukratives Spekulationsobjekt. Die Pacht- und Kaufpreise sind exorbitant gestiegen und haben sich in Brandenburg seit 2005 vervierfacht. Das erschwert den Bodenerwerb für Landwirt*innen und begünstigt die Eigentumskonzentration in zudem weitgehend undurchsichtigen AgrarholdingStrukturen, obwohl eine breite Streuung des Bodeneigentums in der Bundesrepublik politischer Konsens ist. So verschwinden die in den ländlichen Räumen so wichtigen Verbindungen zwischen Dorf und landwirtschaftlicher Tätigkeit. Investorenlandwirtschaft verändert auch das Gesicht der Dörfer, nicht nur ihre Umgebung. Der Boden ist eine begrenzte natürliche Ressource, für deren Erhalt wir als Gesellschaft eine besondere Verantwortung tragen. Deshalb bleibt für DIE LINKE die Bodenfrage eine Schlüsselfrage für politisches Handeln!

Die verfügbaren Instrumente des Grundstücksverkehrsrechts in der Bundesrepublik Deutschland sind aktuell den Herausforderungen der Konzentration von Grund und Boden in den Händen weniger Spekulant*innen nicht gewachsen. Landwirtschaftliche Grundstücksverkäufe an Nicht-Landwirt*innen sind zwar genehmigungspflichtig und können untersagt werden, wenn sie einer „gesunden Agrarstruktur“ zuwiderlaufen. Aber es fehlt erstens an einer Definition in einem Agrar-Leitbild und zweitens liegt seit der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz bei den Bundesländern, was ein Handeln gegen bundes-, europa- oder gar weltweit agierende Strukturen schwierig und rechtsunsicher macht. Oft greift dieses Gesetz beim indirekten Kauf von Boden über den Kauf von Gesellschaftsanteilen landwirtschaftlicher Unternehmen nicht. Es liegt aber im öffentlichen Interesse, dass der Gesetzgeber ortsansässigen Landwirt*innen und Junglandwirt*innen weiter ein besonderes Zugriffsrecht sichert und vor Ort verankerte Agrarstrukturen gegen landwirtschaftsfremde Investor*innen schützt. Dies muss bundeseinheitlich geregelt werden. Es werden sowohl ordnungspolitische als auch förderpolitische und steuerliche Instrumente gebraucht. Dafür wird DIE LINKE. Brandenburg sowohl auf Bundesebene als auch gemeinsam mit anderen Ländern Druck machen.

Für eine nachhaltige Tierhaltung

Die fortschreitende Investoren-Landwirtschaft hat gleichzeitig enorme Auswirkungen auf die Tierhaltung, so auch in Brandenburg. Einerseits haben landwirtschaftliche Investor*innen vor allem Interesse an gut gezahlten Ackerkulturen, andererseits geben aufgrund des hohen finanziellen Drucks immer mehr Betriebe die landwirtschaftliche Tierhaltung auf. Ersetzt werden sie allzu oft durch gewerbliche Megaställe. Aber Tierhaltung und Pflanzenproduktion gehören zusammen. Ihr Zusammenspiel ist die Voraussetzung für regional geschlossene Stoffkreisläufe. Deshalb braucht eine nachhaltige Landbewirtschaftung eine flächengebundene Tierhaltung, von der man leben kann.

Die Tierhaltung ist in den Fokus der gesellschaftlichen Debatte gerückt, in Brandenburg insbesondere durch das Volksbegehren „Stoppt Massentierhaltung“. Der mit allen Akteurinnen und Akteuren ausgehandelte Kompromiss hat die Chance eröffnet, den Weg einer tiergerechteren Nutztierhaltung zu gehen. Der inzwischen durch Wissenschaft, Berufsstand, Aktionsbündnis und verschiedenen Interessenverbänden vorgelegte Tierschutzplan ist ein erfolgreicher erster Schritt. DIE LINKE. Brandenburg bekennt sich dazu, diesen Weg konsequent weiter zu gehen. Die Umsetzung und ständige Weiterentwicklung des Tierschutzplanes werden uns über Jahre begleiten. Es ist ein langer Weg auf dem wir alle Akteur*innen mitnehmen wollen.

Gemeinsame EU-Agrarpolitik nach Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“

Auch die EU-Agrarförderpolitik muss auf die aktuellen Entwicklungen reagieren. Dazu gehören nicht nur ökologische Herausforderungen, sondern unbedingt auch soziale. Agrarfördergelder müssen ortsansässige Landwirtschaftsbetriebe unterstützen, die fair bezahlte Arbeitsplätze bieten, Natur und Klima schützen, Nutztiere tierschutzgerecht halten und die ländlichen Räume stärken. Hierzu gehört für uns auch die Förderung der Beratung von landwirtschaftlichen Betrieben. Wir wollen die Landwirtinnen und Landwirte in dieser Zeit der Umstrukturierung nicht allein lassen. Landwirtschaftsfremde (Übernahme) Investor*innen wollen wir dagegen von der Agrarförderung ausschließen.

Daraus leiten wir folgende politischen Ziele ab:

  • Ein Brandenburger Agrar-Leitbild muss diskutiert werden!
  • Schluss mit der Konzentration von Bodenbesitz in den Händen weniger, gegen Investorenlandwirtschaft, vielfältige Eigentumsformen müssen gesichert werden!
  • Für gute Arbeit auf dem Lande und eine flächengebundene, nachhaltig produzierende Landwirtschaft!
  • Lebensmittel sind keine Ramschware: Erzeugerpreise müssen kostendeckend, Lebensmittel bezahlbar sein!
  • Statt Marktübermacht von Konzernen muss die regionale Verarbeitung und Vermarktung gestärkt werden!
  • Tierhaltung muss standortgerecht, umweltverträglich und tiergerecht sein, aber auch fair bezahlt werden!
  • Für einen verbindlichen Tierschutzplan, der konsequent umgesetzt wird! Der begonnene Dialog mit allen Akteurinnen und Akteuren muss weitergeführt werden!
  • Für eine EU-Agrarförderung, die soziale und ökologische Leistungen belohnt und die Förderung von Landwirtschaft und ländlichen Räumen besser verzahnt!