Rede unseres Spitzenkandidaten Sebastian Walter

Bewerbungsrede unseres Spitzenkandidaten Sebastian Walter auf der Landesvertreter*innenversammlung der Brandenburger LINKEN 2019 in Wildau am 26. Januar 2019

https://www.youtube.com/watch?v=sl4sod6aj5s

Liebe Genossinnen und Genossen,

lasst mich persönlich beginnen. Es ist wichtig für meine Beweggründe heute und hier.

Ich bin nur knapp ein halbes Jahr älter als sie. Wir haben uns nie wirklich getrennt. Ich bin ihr treu geblieben, auch wenn es manchmal nicht einfach war und künftig auch nicht sein wird. Wir werden gemeinsam 29 in diesem Jahr. Die Rede ist von mir und meiner Heimat – Brandenburg. Dieses völlig zufällige Zusammengehen und Aufwachsen bestimmt meinen Blick auf Brandenburg.

Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ich 2004 auf der Montagsdemo in Eberswalde stand und mit vielen anderen gegen die Hartz-Reformen protestiert habe. War ich persönlich betroffen? Nein. Aber die Menschen um uns herum, sie wussten, dass mit diesem Gesetz ihre Existenz auf dem Spiel steht.

Ich kann mich auch gut daran erinnern, wie wir 2013 in nur wenigen Wochen eine Demo mit über 1000 Menschen in Finowfurt gegen ein Konzertgelände organisierten, auf dem sich jeden Monat bis zu 2000 Rechte getroffen hatten und Angst verbreiteten. Wir konnten es damals noch nicht ahnen: Aber wir hatten an diesem Tag das Ende dieses unsäglichen Treffpunkts eingeläutet. War ich persönlich betroffen? Nein. Aber die Menschen wussten, dass man nicht links sein muss, um gegen menschenverachtende Ideologie auf die Straße zu gehen – man muss Mensch sein. Und sie taten es.

Und ich werde es nie vergessen, wie wir im September 2015 an einem heißen Sommertag, mit wenigen Ehrenamtlichen, 800 Geflüchtete in Eisenhüttenstadt mit Essen und Wasser versorgt haben – ihnen ein Zuhause gegeben haben. Waren wir geflüchtet? Nein. Aber die Menschen um uns herum, die zu uns kamen – sie haben alles verloren.

Warum erzähle ich euch das? Weil es für mich prägende Ereignisse waren und sind. Diese Erfahrungen, die Menschen, die ich getroffen habe, das ist für mich Brandenburg: Ein Land, in dem Solidarität gelebt wird, wenn es darauf ankommt. Ein Land, in dem die Menschen keine Ungerechtigkeiten akzeptieren. Ein Land, in dem jeder sein Leben leben kann, egal woher er kommt oder wohin er geht.

Kathrin und ich stehen heute vor euch, weil wir wollen, dass dieses Brandenburg auch wirklich für alle Menschen Realität wird. Der neue Leitspruch: „Brandenburg. Es kann so einfach sein“ trifft eben nicht auf eine Mehrheit der Menschen zu. Fragt doch mal jeden dritten Brandenburger der im Niedriglohnbereich beschäftigt ist oder von einer Befristung in die nächste rutscht? Fragt doch mal einen der 50.000 Aufstockerinnen und Aufstocker, die trotz Arbeit nicht von ihrem Lohn leben können? Oder fragt auch die Rentnerin, die wie jede 4. Frau eine Rente weit unter 750 Euro im Monat bekommt?

Ich habe als Gewerkschaftssekretär in den letzten Jahren die alleinerziehende Mutter kennengelernt, die im Callcenter arbeitet und nicht weiß, wie sie die Klassenfahrt ihres Kindes bezahlen soll. Oder den Handwerksgesellen getroffen, der nicht weiß, wie er die Reparatur für sein Auto bezahlen soll. Und auch die 78-jährige Frau, die sich an uns gewendet hat, weil sie Angst hat, nach 40 Jahren ihre Wohnung zu verlieren, weil sie die Mieterhöhung nicht mehr zahlen kann.

Und du siehst die Realität vor dir, wenn sie dich fragen, warum sie nicht gehört werden? Nicht gehört werden, wenn sie nachts nicht schlafen können, weil die Sorgen sie erdrücken oder sie sich nicht mehr trauen die Post zu öffnen, weil sowieso nur noch Mahnungen und Rechnungen kommen. Für diese Menschen ist das Leben eben nicht einfach. Wir aber sehen sie, die Benachteiligten, die abhängig Beschäftigten, die Alleinerziehenden und all jene, die sonst im Dunkeln stehen. Und wir stehen an Ihrer Seite und werden mit ihnen kämpfen.

1995. 1995 sollten laut Einigungsvertrag die Löhne und Renten zwischen Ost und West angeglichen werden. Jetzt, 24 Jahre später, müssen sich die Menschen immer noch vor die Werkstore stellen oder auf die Straße gehen, um dieses Versprechen endlich einzufordern. Jeder Brandenburger kennt die Erfahrung der Arbeitslosigkeit aus seiner engsten Familie, jeder Brandenburger spürt immer noch die jahrelange Billiglohnwerbung bis 2009. Die Treuhand-Politik, die in diesem Land vieles niedergewalzt hat, was Großkonzernen als Konkurrenz erschien, wirkt bis heute. Sie bedeutete für viele sozialen Abstieg zu ertragen, der nicht selbstverschuldet war.

Und diese Ungerechtigkeit betrifft auch gerade jetzt Menschen, die so wie ich nach 1990 geboren sind: Wer glaubt denn ernsthaft noch, dass der 25-jährige Kellner in Bad Saarow für die gleiche Arbeit weniger Geld verdient hat, als sein Kollege in Düsseldorf oder Hamburg? Die Wahrheit ist doch, dass mittlerweile überall Westpreise genommen werden, aber die Menschen mit Ostlöhnen abgespeist werden! Die Menschen in Ostdeutschland wurden in den letzten Jahren um ihren gerechten Lohn geprellt – dieser Diebstahl muss ein Ende haben und die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei!

Wer das belächelt, sogar ignoriert oder als Jammerei abtut, der hat nichts und rein gar nichts verstanden. Und muss sich nicht wundern, wenn sich Menschen von Politik abwenden! Mit Respekt von Lebensleistungen hat es jedenfalls nichts zu tun. Es geht um nichts weniger, als den Menschen endlich ihre Würde zurückzugeben. Denn diese Erfahrung der ständigen Entwürdigung führen immer wieder zu Wut, zu Ohnmacht und zu Angst vor der Zukunft.

Liebe Genossinnen und Genossen, in diesem Wahlkampf werden wir daraus aber Mut, Hoffnung und Zuversicht machen! Die Menschen sind mehr wert, als ihnen oftmals immer noch weiß gemacht wird. Niemand in Brandenburg soll in Angst leben müssen. Egal ob Angst vor der Zukunft, Angst vor Abstieg oder auch Angst vor Ausgrenzung.

Wir geben eine neue Sozialstaatsgarantie. Ein großes Wort, aber was heißt das konkret? Jeder soll von seiner Arbeit und seiner Rente leben können, Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein und das soll für alle Menschen gelten – im ganzen Land. Weil es das ist, was selbstverständlich sein muss. Und wir werden das Selbstverständliche wieder selbstverständlich machen. Nicht weniger als das können die Menschen von uns erwarten!

Wir stehen durch den Klimawandel, durch die Digitalisierung der Arbeitswelt und der immer tieferen Spaltung in diesem Land vor Herausforderungen, die mit traditionellen Antworten nicht mehr zu lösen sind. Vielmehr geht es um radikale Realpolitik, also die Probleme an der Wurzel zu packen. Lothar Bisky hatte recht, als er uns aufrief: „Lasst uns die Systemfrage stellen!“ Denn das System der Privatisierungen, der Personalkürzungen im öffentlichen Dienst hat in eine Sackgasse geführt. Auch wenn die CDU im Land und Bund dem immer noch nach hängt – der Neoliberalismus ist ein für alle Mal gescheitert. Viele unserer jetzigen Probleme sind auf ihn zurück zu führen und sorgen bis heute dafür, dass wir für die Zukunft nicht gewappnet sind.

Wir haben begonnen gegenzusteuern: Haben tausende neue Lehrerinnen und Lehrer, Kitaerzieherinnen und Kitaerzieher eingestellt, den Vergabemindestlohn eingeführt und nirgends sonst kriegen Kommunen pro Kopf so viel Geld für ihre Aufgaben wie in Brandenburg.

Auch bei den vieldiskutierten Straßenausbeiträgen haben wir gezeigt, dass wir auf Schieflagen reagieren. Es ist nicht mehr die Frage ob, sondern wie wir sie abschaffen werden. Aber wenn die CDU jetzt behauptet, die Beiträge im Vorbeigehen abschaffen zu können, dann muss man es so deutlich sagen, dann lügt sie den Menschen ins Gesicht. Sie hat keine Antwort darauf, woher die Millionen kommen sollen oder wie wir neue Ungerechtigkeiten verhindern. Mit uns wird es nie ein Brandenburg geben, das mehr Geld in Beton investiert als in die Köpfe der Menschen in diesem Land. Ich kann Herrn Senftleben nur raten, bei seiner Kanzlerin dafür zu sorgen die Vermögenssteuer einzuführen, dann hätte er wirklich was erreicht und könnte sich seine leeren Versprechen sparen.

Wir haben keine Angst vor der Zukunft. Wir lassen uns auch keine Angst machen. Denn Zukunft ist nichts, was über uns kommt, sondern Zukunft bedeutet immer auch Chancen. Und die werden wir nutzen. Wir werden Zukunft wagen und Mut beweisen. Wir werden mutig sein, wenn wir dafür sorgen werden, dass der Vergabemindestlohn auf 12,50 Euro steigt. Denn es ist doch so, dass du nur mit diesem Stundenlohn nach 45 Jahren harter Arbeit eine Rente bekommst, die über der Grundsicherung liegt.

Genauso wird es der Vergangenheit angehören, dass Unternehmen Millionen an Steuergeldern kassieren und dann ihre eigenen Mitarbeiter zum Amt rennen müssen, um über die Runden zu kommen. Deshalb werden wir endlich dafür sorgen, dass nur noch Unternehmen mit Steuergeldern gefördert werden, wenn sie nach Tarif bezahlen. Die Grundsicherung ist für uns nicht das Ziel und auch nichts Erstrebenswertes. Und deshalb müssen wir gemeinsam mit den Gewerkschaften die Tarifbindung stärken – weil Tarife am Ende auch gute Löhne bedeuten.

Überall wo Menschen nicht wissen, ob sie sich im nächsten Jahr ihre Wohnung noch leisten können, werden wir es sein, die deutlich machen, dass das Recht auf Eigentum noch lange kein Recht auf unbegrenzte Profitgier bedeutet. Deshalb werden wir eine Privatisierungsbremse festschreiben, die dafür sorgt, dass Grundstücke und Unternehmen der öffentlichen Hand nicht mehr an den höchst bietenden Spekulanten verkauft werden, sondern in der Hand der Brandenburgerinnen und Brandenburger bleiben.

Und gleichzeitig werden wir weiter das Öffentliche stärken, damit Wohnungen, Busse und Strom für alle zur Verfügung stehen und im ganzen Land gesichert sind. Es ist eben so, dass man mit Kultur, mit ÖPNV und mit der Wasserversorgung keine Profite machen kann – außer man macht sie auf Kosten der Menschen in diesem Land. Und das ist mit der LINKEN, mit uns, nicht zu machen! Denn nur so können wir dafür sorgen, dass wir das Wachstum in vielen berlinnahen Regionen sozial gerecht gestalten können und den ländlichen Regionen eine Perspektive geben

Das sind nur einige Aufgaben, vor denen wir stehen, aber es sind entscheidende Aufgaben. Wir lassen unsere Politik nicht unter einen Finanzvorbehalt legen. Das Geld ist doch da! In einem Land, in dem 1 Prozent der Menschen 87 Prozent des Reichtums besitzen, dann ist doch nicht zu wenig Geld da – das ist Quatsch! Es ist nur falsch verteilt! Wir werden nicht aufhören darüber zu reden, weil es auch in Zukunft Soziale Gerechtigkeit nur mit Verteilungsgerechtigkeit geben wird.

Am 1. September werden die Menschen eine wichtige Entscheidung treffen müssen. Die große Frage wird sein, sie ist es längst, wie ihr selbst wisst: In was für einer Gesellschaft wollen wir künftig leben? Wollen wir eine offene, demokratische Gesellschaft in der die Würde und Rechte eines jeden Einzelnen im Mittelpunkt steht? Oder wollen wir eine Gesellschaft die für Abschottung und Nationalismus steht, in der nur das Recht des Stärkeren gilt?

Die AfD mit Kalbitz an der Spitze nutzt bewusst die Strategien der Nazis aus den 30er Jahren und hat keine Antwort auf die Fragen in diesem Land. Sie wollen die Renten- und Arbeitslosenversicherung privatisieren und Steuersenkungen für Reiche – sie werden nichts, aber auch gar nichts für die Benachteiligten in diesem Land tun. Mit Abgeordneten, die in Nazi-Ferienlagern „Nur mal gucken waren“, in SS-Traditionsvereinen „zufällig“ Vorsitzende waren oder mit Nazis offen auf der Straße in Cottbus demonstrieren, will und werde ich nicht reden. Sie gehören nicht ins Parlament und auch nicht an einen Verhandlungstisch – sie gehören ein für alle Mal in die Mottenkiste der Geschichte. Und jede Partei, die nur den kleinen Finger reicht, um an die Macht zu kommen, die gefährdet die Demokratie und verlässt den demokratischen Konsens in diesem Land.

Wir werden gemeinsam den 1. September 2019 zu dem Tag machen, an dem der Aufstieg der AfD beendet und der Rechtsruck dieser Gesellschaft zurückgedrängt wird! Denn wer, wenn nicht wir, könnte das Bollwerk gegen den Faschismus sein? Das Bollwerk für Menschlichkeit!

Um den Rechtsruck in dieser Gesellschaft zu stoppen braucht man ganz sicher keinen stärkeren Verfassungsschutz. Der Alleingang von Karl-Heinz Schröter zeigt doch, dass die SPD ihren Kompass völlig verloren hat! Man weiß doch gar nicht mehr, was man bekommt, wenn man in Brandenburg SPD wählt. Sie ist völlig orientierungslos bei den Themen Bürgerrechte, Soziales und Bildung. Ich hoffe ganz ehrlich, dass die Sozialdemokratie endlich wieder auf einen konstruktiven Weg zurückfindet! Aber ich will auch sagen, wer eine Partei will, die sich konsequent für bessere Löhne, für gute Bildung unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, für Mobilität und für bezahlbares Wohnen einsetzt – der kann nur DIE LINKE wählen. Wir werden unseren Kompass nicht verlieren!

Wir wollen kein Brandenburg der Spaltung, sondern ein Brandenburg der Solidarität. Und ja, auch ein Gegenpart zur Bundesregierung sein, weil wir beweisen wie es anders gehen kann. Ein Brandenburg, das nicht weg sieht, wenn jeden Tag Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil sie vor Krieg und Armut fliehen. Sondern Menschen rettet und sie schützt. Ein Land, das ein sicherer Hafen ist, auch für diejenigen, die auch jetzt in diesem Moment als ehrenamtliche Seenotretter im Mittelmeer unterwegs sind. Ihnen gehört unsere Solidarität – ihre Kriminalisierung ist ein Skandal! Ein Brandenburg, das nicht vor Waffenhändlern einknickt und ihnen noch Schadensersatz zahlt, weil sie ihr Geschäft mit dem Tod kurzzeitig unterbrechen müssen. Ein Brandenburg, für alle in dem jeder etwas werden kann, egal ob er in Neuruppin, Hamburg oder Damaskus geboren ist. NUR DIE LINKE ist dafür der Garant. Nur wir stehen konsequent ein für soziale Gerechtigkeit!

Und weil Herr Senftleben und Herr Woidke im Moment nichts Besseres zu tun haben, als sich gegenseitig Ministerämter wahlweise ab- oder zuzusprechen, will ich deutlich sagen: Wir gehen in diesen Wahlkampf, weil wir stärker werden wollen! Wir werden mit unseren Vorschlägen für ein gerechtes Brandenburg Menschen überzeugen und uns nicht von Fragen nach Posten oder Konstellationen leiten lassen! Wir werden uns nicht klein machen – sicher geglaubte Wahlsieger gibt es nicht mehr. Alles ist möglich – auch für uns! Mindestens aber wird es am 1. September an uns vorbei keine Regierung geben können! Wir wollen und werden weiter gestalten!

Wir werden solidarisch miteinander für eine bessere Zukunft streiten. Denn wir wissen, dass die Studentin an der Uni in Frankfurt, der Kohlekumpel aus Jänschwalde und die Rentnerin aus Prenzlau am Ende die gleichen Interessen haben. Sie wollen eine sichere Zukunft. Und deshalb werden wir das Selbstverständliche wieder selbstverständlich machen: Ein Leben ohne soziale Demütigung, sondern mit der Zuversicht, dass auch die jungen Menschen hier alt werden können. Dann heißt es nicht mehr: „Brandenburg. Es kann so einfach sein.“ SONDERN: „Brandenburg. Alle oder keiner.“

Dafür lasst uns kämpfen und dafür werben Kathrin und ich um euer Vertrauen!

Vielen Dank!